Rom, Römer, Römerinnen vor 200 Jahren – ein deutscher Romantiker entdeckt Italien

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„Griechen-Müller“ nannten ihn viele wegen seines Engagements fürs Ende der Türkenherrschaft

Melodien von Rossini, Kupferstiche von Pinelli, Briefe vom „Griechen-Müller“: drei berühmte Männer geleiten Sie durch den Abend. „Welcher Müller?“ Wilhelm Müller, der Dichter von Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum. Spätestens 1827 wurde er unsterblich: Franz Schubert vertonte seinen Gedichtzyklus Die Winterreise, zu dem auch der Lindenbaum gehört. Auch Brahms vertonte Verse des jungen Mannes, Heine lobte, sie seien „sämtlich Volkslieder“.

Schubert komponierte Die schöne Müllerin ebenso wie Die Winterreise – Gedichte über Abschied und Einsamkeit in einem durch Frost, Lieblosigkeit und triste politische Zustände erstarrten Deutschland. Sie fanden und finden sich im Repertoire bedeutender Interpreten wie Christa Ludwig, Fritz Wunderlich, Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Schreier, Thomas Quasthoff, Dietrich Henschel.

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„Bacchanale“ – einer der berühmten Kupferstiche von Pinelli, die Müller kommentierte

Den tragischen Tönen geht ein fast vergessenes Stück heiterer Literatur voraus, inspiriert von einer Italienreise: „Rom, Römer, Römerinnen“ erschien im Jahr 1820 und erzählt in Briefform, was der 23jährige Dessauer erlebt hatte. Folgen Sie uns, hören und sehen Sie, wie er Sitten und Charaktere jener Zeit beschrieb – anders als manche Reisenden, die sich mehr für Ruinen als den pulsierenden Alltag drum herum interessierten. Unsere literarischen Abende heißen schließlich „Leben Lesen“.

Wir laden wieder herzlich ein ins Kaminzimmer des Atlantic Parkhotels am 28. Februar 2020 um 20:30 Uhr. Der Eintritt ist wie immer frei, wenn Ihnen unsere Darbietung gefällt, freuen wir uns über eine Spende.

 

Die Weihnachtshasserin

Kerzenschnee totelNicht alle mögen Weihnachten – klar. Ich wünsche dennoch meinen Lesern ein erholsames Fest voll Freude, am besten in liebenswerter Gesellschaft. Als kleines Geschenk hier ein Ausschnitt aus der Kurzgeschichte obigen Titels, die ich Gästen im Kaminzimmer des „Atlantic-Parkhotels“ gestern zu Gehör brachte. Gemeinsam mit Annegret und Bernd Müller (Gitarre) haben wir auch gesungen – gehasst hat niemand, gelacht haben alle.

„Es ist abartig!“
Gäste vom Nachbartisch schauten herüber, ich bemerkte, dass ich einen roten Kopf bekam. Die Leute dachten wunders womit ich mir diesen Wutschrei verdient hatte. Frau Herzberg aber schaute mir plötzlich direkt in die Augen, griff nach meiner Hand und sagte: „Tut mir leid, seien Sie mir nicht böse. Es geht nicht gegen Sie. Aber schauen Sie sich nur all die schönen, stolzen Bäume an, die für blöde Märkte, Kaufhäuser, Kantinen, Kneipen, Bahnhöfe oder Millionen Wohnzimmer abgehackt werden, die dort vertrocknen und dann verbrannt werden! Fast 30 Millionen, allein in Deutschland jedes Jahr! Stellen Sie sich vor, Ihre Füße würden abgesägt, man schraubte Sie in ein Metallgestell, behängte Sie mit billigem Glitzerzeug und würfe Sie nach 14 Tagen einfach weg.“
Ihre Stimme war plötzlich weich geworden, ihre Augen glänzten feucht, sie hatte wirklich Mitleid mit den Bäumen. Das heißt, sie hatte irgendwann versucht sich vorzustellen, wie sich eine Säge an den Füßen anfühlt – oder jemand hatte sie dazu gebracht, sich das vorzustellen. Das war kein Spaß.
„Eine Säge an den Füßen“, murmelte ich, „das ist kein Spaß. Wenn Sie so etwas Kindern erzählen, werden Sie womöglich nie mehr Weihnachtsbäume anschleppen müssen.“
„Sehen Sie! Wieso erzählen wir das den Kindern dann nicht?“ Jetzt schimmerten ihre Augen hoffnungsfroh. Ich seufzte.
„Sehen Sie ’s mir bitte nach“, ich legte meine Hand auf die ihre, „Bäume mögen Gefühle haben, aber wenn wir schon von Bäumen und Menschen reden, kommen wir um die Unterschiede nicht herum. Ich liebe Bäume, seit meiner Kindheit fühle ich mich im Wald zuhause. Dort tanke ich Kraft, habe oft in bösen Zeiten Trost gefunden. Und – glauben Sie ’s oder nicht – dazu passt ausgerechnet ein Weihnachtslied.

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit,
o Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren.“

Frau Herzberg entzog mir ihre Hand. „Ja ja. Mit dieser Art von Gedudel wurden früher Kinder eingelullt: ‚Hoffnung‘, ‚Beständigkeit‘. Was soll der Quatsch noch im digitalen Zeitalter, wo sich alles in rasendem Tempo ändert? Für Kinder zählt das neueste Smartphone zu Weihnachten, der Baum darf ruhig aus Plastik sein.“

Der Anfang der Geschichte findet sich als Video auf YouTube, wer mehr möchte, melde sich gern.

Leben Lesen extra im Oktober

Abenteuer in der Berliner S-Bahn: aus “Babels Berg”

 

„Ikarus mit Bleigürtel – Reisen im Flug durch vier Jahrzehnte deutsch-deutscher Geschichte“ ist ein Abend mit Texten aus allen drei Teilen der Romantrilogie „Wolkenzüge“. Das “Literatur-Spiel” gab’s in diesem Jahr u.a. im Berliner DDR-Museum, in der Suhler Stadtbibliothek, in der Stiftsbuchhandlung Nottuln. Kurz vorm Erscheinen des dritten Teils – „Raketenschirm“ – lade ich ins Groschen Museum Baden-Baden zum Mitfliegen ein. Termin: 11.10., 19:30.
Auf das Publikum wartet wie immer in unserer Reihe literarischer Jamsessions mehr als nur eine Lesung: eine Einladung zum Mitgestalten, Fragen, Miterzählen.

 

Die Lust am Eigensinn – wieviel Anpassung braucht der Mensch?

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Der Denkerclub – eine deutsche Karikatur

Große Ideen zur Verbesserung der Welt – ausgedacht in enger Runde, hinterm Maulkorb angepasster Lebensweise versteckt: so sah ein Zeichner die Deutschen im Biedermeier vor 200 Jahren.

Wir haben’s besser: frei heraus dürfen wir unsere Meinungen äußern, sie via Internet verbreiten, Zensur findet nicht statt. Jeder kann „nach eigenem Willen“ glücklich werden, sein Leben mit eigenem Sinn erfüllen. Oder nicht?

Kann es sein, dass mit Denk- und Redeverboten auch die Lust am Eigensinn entfällt, dass eine gewisse Bequemlichkeit und herdenhafte Anpassung sich ausbreiten und dass, wo sich alle wohlfühlen und auf Krisenvermeidung aus sind, die Eigensinnigen nur noch stören?

Am 29.9. erscheint das Buch zum Thema von Wolfgang Korn – Ich hab’s vorab gelesen und besprochen, ich freu mich über kontroverse Gespräche über den Eigensinn berühmter Männer – und den aller Gäste bei Leben Lesen am  20. September.